Die Kreisverwaltung Soest informiert seine Bürger auf seiner Internetpräsenz über die Möglichkeiten des Projekts Bürgernotfunk bei einem flächendeckenden Stromausfall (Blackout).
Demnach sollen, in vielen Haushalten bereits vorhandene, PMR446-Funkgeräte genutzt werden, um eine in einer Krisensituation Hilfe weiterzuleiten oder zu organisieren. Sollte es zu einem Blackout kommen, der längere Zeit andauert, würden Festnetz sofort und Handynetze nach wenigen Stunden komplett ausfallen. Die Notrufnummern 110 und 112 wären dann nicht mehr erreichbar. In einem solchen Fall würden Behörden des Katastrophenschutzes und der Gefahrenabwehr umgehend Anlaufstellen einrichten, sogenannte “Leuchttürme”, bei denen Bürger Informationen zur Lage erhalten oder auch Notfälle melden können. Genau hier soll der Bürgernotfunk greifen.
Bürgernotfunk stellt Verbindung zu Leuchttürmen her
Registrierte Bürger sollen im Ernstfall große Hinweisschilder aufstellen, die sie als Bürgernotfunk-Anlaufstelle ausweisen. Mitbürger aus der Umgebung, die selbst kein Funkgerät besitzen, können über diese Anlaufstelle Notrufe weiterleiten lassen. Für diesen Ausnahmefall werden von behördlicher Seite ebenfalls PMR446-Geräte vorgehalten (Achtung: Nur für solche Ausnahmefälle!).
Der Soester Bürgernotfunk verwendet Kanal 1 als Anrufkanal
Sobald der Strom flächendeckend ausgefallen ist, sollen Bürger, die über ein PMR446-Funkgerät verfügen, Kanal 1 einschalten. Je mehr Funkgeräte betriebsbereit sind, desto größer ist das Netz, das dadurch entsteht. Hilferufe können aufgefangen und weitergeleitet werden. Auch spontane Selbsthilfe kann dann organisiert werden. Soweit die Theorie.
Inkompatibilitäten nicht berücksichtigt
Wenn man sich das Projekt Bürgernotfunk des Kreises Soest anschaut, hört sich das gut an und entspricht durchaus dem Grundgedanken des T-Day und dessen Initiative “Use Channel 3 for Emergency“. Leider wird ein gewisser Umstand nicht berücksichtigt, der das Projekt und somit im Ernstfall auch Menschenleben gefährden könnte. Wenn man mehrere PMR446-Geräte auf Kanal 1 einschaltet, ist nicht sichergestellt, dass die Geräte auch tatsächlich miteinander kommunizieren können.
Zum einen muss ein Gerät nicht zwangsläufig auf dem schaltbaren Kanal 1 mit der dafür vorgesehenen Frequenz programmiert sein. Zum anderen ist es durchaus üblich, dass Geräte unterschiedlicher Hersteller, selbst wenn sie für Kanal 1 dieselbe Frequenz nutzen, verschiedene CTCSS- oder DCS- Einstellungen vorgegeben haben. Diese unterschiedlichen Einstellungen (manchmal auch als Subkanäle bezeichnet) führen dazu, dass man sich gegenseitig nicht hören kann, auch wenn man sich eigentlich in Funkreichweite befindet.
Anders als z.B. CB-Funkgeräte, die ursprünglich dazu gedacht waren, dass sich jeder mit jedem unterhalten kann, sollen PMR-Geräte möglichst vielen Nutzern eine ungestörte Kommunikation auf kurzen Strecken bieten. Deshalb werden CTCSS- bzw. DCS-Töne verwendet. Um miteinander sprechen zu können, müssen Sende- und Empfangsgerät dieselben Einstellungen vorgenommen haben. Der Lautsprecher des Empfangsgerätes geht dann auch nur an und leitet das empfangene Signal weiter, wenn das Sendegerät den eingestellten (erwarteten) Subton mitsendet. Und genau dieser Umstand steht der Idee des Bürgernotfunks mit PMR446-Geräten im Wege.
Hier muss nachgebessert werden
Leider ist ein wenig mehr Vorbereitung notwendig, als allen Bürgern mitzuteilen, dass sie ihr Gerät bei einem flächendeckenden Stromausfall oder einer anderen Krisensituation auf Kanal 1 einstellen sollen. Im Vorfeld muss man sich entweder auf eine einheitliche Verwendung der CTCSS- oder DCS-Signale verständigen oder diese einfach von vornherein abschalten. Dazu müssen alle verwendeten Geräte auf dieselben Einstellungen (wenigstens auf diesem einen Notruf- oder Anrufkanal) programmiert werden.
Der T-Day (oder ähnliches) würde sich eignen, um die Einstellungen und die Reichweite des Netzwerkes zu testen. Schwachstellen könnten Eintreten des Ernstfalls entdeckt und behoben werden.
Warum nicht auch CB-Funk in das Projekt eingeflossen ist, ist nicht klar. Immerhin sind auch diese Geräte durchaus noch recht weit verbreitet und auch die Reichweite ist, bei halbwegs günstiger Aufbausituation, um ein vielfaches Größer. Man bräuchte also auch wesentlich weniger “Anlaufstellen”). Darüber hinaus gäbe es auch kein Problem mit Inkompatibilitäten wegen der CTCSS- / DCS-Programmierung, denn CB-Funkgeräte sind im Allgemeinen untereinander kompatibel. CTCSS- und DCS-Töne sind dort ggf. ein zusätzliches Feature, das aber nur sehr selten Anwendung findet.
Auch Freenet im 2-Meter Band wäre noch eine zusätzliche Möglichkeit für den Bürgernotfunk. Zwar können hier die gleichen Kompatibilitätsprobleme auftreten wie bei den PMR446-Geräten, allerdings gibt es Geräte mit wechselbaren Antennen, was zusammen mit der höheren Sendeleistung von 1 Watt (statt 1/2 Watt bei PMR446) größere Reichweiten zulassen würde.
Gut aber noch nicht ausgereift
Gut ist es, sich Gedanken darüber zu machen, Funkgeräte, die in vielen Haushalten zu finden sind, in einer Krisensituation nutzbar zu machen. Die oben geschilderten Inkompatibilitäten könnten, wenn man sie im Vorfeld nicht abschaltet, im Ernstfall mehr Probleme erzeugen als gewünscht. Ein Hilfebenötigender ruft in sein Funkgerät und wird einfach nicht gehört, weil die CTCSS- / DCS-Einstellungen nicht kompatibel sind. Selbst wenn er von jemandem empfangen wird, dessen Funkgerät “offen” ist, also keine CTCSS- oder DCS-Töne erwartet, um den Lautsprecher einzuschalten (dann empfängt dieses Gerät alles, egal welche Subtöne noch mitgesendet werden), wird er die Antwort nicht verstehen können, weil sein Funkgerät den Lautsprecher nicht einschaltet, weil die von seinem Funkgerät erwarteten Subtöne nicht mitgesendet werden. Das kann ganz schnell in einem Chaos enden.
Sicher sollten auch weitere Funkanwendungen, wie CB-Funk und Freenet Berücksichtigung finden und in des Projekt integriert werden.
Der T-Day wäre dann eine optimale Gelegenheit, das Zusammenspiel aller Bürgernotfunkfunk-Komponenten regelmäßig zu testen und auch neu hinzukommenden Bürgernotfunkern unter die Arme zu greifen.
Ehrlich gesagt kann man PMR für den Notfalleinsatz sowieso vergessen. Bei 500 mW ist am Boden die Reichweite einfach recht beschränkt, oft <1 km.
Kommt es wirklich mal zum "Kommunikations-GAU" im Krisenfall, werden die Amateurfunker wesentlich bessere Kenntnisse und Voraussetzungen haben, die Rolle zu erfüllen. Normale Bürger mit ihren "Babyfon" Teilen ohne Ahnung was CTCSS überhaupt ist eher nicht. Ich fürchte, da müssen wir realistisch sein.
Sicher, die Reichweite ist je nach Bebauung nicht die allergrößte, aber im Falle einer größeren Katastrophe geht es vielleicht gar nicht in erster Linie um große Reichweiten. Was nutzt es mir, wenn ich jemanden in 10, 20 oder mehr Kilometern Entfernung erreiche, wenn ich Hilfe benötige. Der Schwerpunkt wird da eventuelle eher auf der Organisation von Selbsthilfe liegen und da wäre es halt sinnvoll, eher eine hohe Verbreitung als eine große Reichweite zu haben. Wenn ich diese 1000 Meter Reichweite einfach mal auf Berlin anwende, dann würde man etwas über 3 Quadratkilometer abdecken können. Das wären bei einer durchschnittlichen Bevölkerungsdichte von 4.240 Einwohnern / Quadratkilometer (lt. Wikipedia) immerhin über 12.000 Einwohner, die man theoretisch erreichen könnte. wenn nur jeder 1000. ein betriebsfähiges Funkgerät besitzt, könnten so schon 12 Personen innerhalb eines Radius von 1000 Metern erreicht werden, die Hilfe organisieren könnten. Natürlich bedürfte es im Vorfeld ein wenig Aufklärung und auch Voreinstellungen. Was ich nur verdeutlichen wollte, ist dass es nicht ausschließlich um besonders große Reichweiten gehen muss.
Vielleicht ist auch der link: https://t-day.net/notfunkkonzept-fuer-lizenzfreie-funkanwendungen/ interessant, da habe ich noch ein wenig mehr zum Thema ausgeführt.
Letztlich wird man sicher nicht umhin kommen, auch andere Funkanwendungen und natürlich auch den Amateurfunkdienst einzubinden. Die freien Funkanwendungen haben aber den Vorteil, dass sich jeder ein oder mehrere Geräte anschaffen und vorhalten kann, ohne irgendwelche Prüfungen absolvieren zu müssen und das könnte für eine große Verbreitung sorgen.